Das Innere Kind

Was meine Neugierde suchte, was mir Träume, Lust und Angst schuf, das große Geheimnis der Pubertät, das passte gar nicht in die umhegte Glückseligkeit meines Kinderfriedens. Ich tat wie alle. Ich führte das Doppelleben des Kindes, das doch kein Kind mehr ist.
(Hermann Hesse)

Die folgenden Darlegungen zum Inneren Kind wollen das Thema so erklären, dass du es nachvollziehen und verinnerlichen kannst.
Als ich in meiner Rückführungsausbildung „erste Bekanntschaft“ mit meinem Inneren Kind machte, war ich auf der einen Seite überrascht, auf der anderen Seite jedoch völlig überfordert.
Ich konnte nämlich die starken Emotionen, die Bedeutung, die seelischen wie körperlichen Reaktionen nicht verstehen. So blieb das Innere Kind weiter in der „Versenkung“. Es war für mich trotz eines ersten Kennenlernens ein Buch mit vielen Siegeln…
Ich ahnte damals nicht, dass es viele solcher sogenannten Inneren Anteile gibt. Auch ahnte ich nicht, wie sehr sie präsent sind und wie wichtig sie für uns, für den Menschen, sind. Doch hier geht es ja um einen dieser Inneren Anteile, nämlich das Innere Kind.
Was ich schon wusste und fühlte war, dass ich in dieser Arbeit an meinem Inneren wieder ein Stück vollständiger geworden war. Unsere Ausbilder wiesen mit Nachdruck darauf hin, dass wir uns mit diesem unserem Inneren Kind immer beschäftigen sollen, denn „es braucht das…“
Ich verstand dies damals nicht, und so versäumte ich genau dieses „Kümmern“.
Ein bis zwei Jahre später erlebte ich dann das traurige, verlassene und nicht wahrgenommene Innere Kind erneut. Denn es zeigte sich, indem ich unausgeglichen war, unfroh, traurig und so weiter. Gleichzeitig erlebte ich viele Klienten, denen es ähnlich ging und die in ihren Sitzungen ihr verletztes und vernachlässigtes Inneres Kind erlebten. Dann erst verstand ich, dass mir meine Außenwelt wieder einmal eine eigene offene Baustelle zeigte. Doch erst einmal mehr zur Darlegung:

Dein Inneres Kind
Das „Innere Kind“ ist ein Ausdruck für den Teil unseres Seins, in dem unsere tieferen Empfindungen, unsere Gefühle, aber auch ein Teil unserer Vergangenheit wohnt.
So repräsentiert dein Inneres Kind den Teil in dir, der durch früheste Prägungen entscheidende Gefühle, Verletzungen, Verhaltensmuster und Wertvorstellungen aufnahm. Das Innere Kind nimmt damit eine Schlüsselfigur deiner Gefühlswelt ein. Es beeinflusst den Umgang mit ungelösten und oft unlösbar scheinenden Lebensproblemen.
Und so geht es natürlich jedem Menschen, so geht es jedem Familienmitglied, deinen Arbeitskollegen, so ging es deinen Eltern und deinen Ahnen.
Das Innere Kind beeinflusst so maßgeblich unseren Alltag, unsere Gefühle und unser (Un-)Wohlsein mehr oder weniger stark.
Die Schönheit der Natur erkennen, den Spaß am Spiel haben, sich an Kleinigkeiten erfreuen können, ohne Grund lachen zu können und vieles mehr sind typische Aspekte und Fähigkeiten des Inneren Kindes.
Das Annehmen des Inneren Kindes, seine Integration und das Umsorgen sind maßgebend dafür, ob wir Leichtigkeit erleben, Lebensfreude spüren, Offenheit zeigen, aktiv oder eher passiv sind, ob wir zu verletzbaren oder robusten, liebesfähigen oder kargen, gefühlsarmen, einsamen und emotionslosen Menschen werden.
In den von mir gelesenen Werken, die die Arbeit mit dem Inneren Kind beschreiben, erfährt man viel über das theoretische Vorhandensein eines Teils unserer Psyche, dem Inneren Kind. Es drückt meist nicht das aus, was ich beziehungsweise viele Klienten bei der Integration des Inneren Kindes erleben durften.
Ausnahmslos berichten alle Klienten, dass sie diesen Anteil unseres Selbstes erleben, spüren und – wenn Klienten visualisieren können – auch sehen. Dann beschreiben sie wie das Innere Kind aussieht. Eine typische Beschreibung einer Klientin während einer Sitzung ist die folgende: „Ich schaue in einen Raum und sehe in einer Ecke ein kleines zusammengekauertes Mädchen sitzen. Es ist dünn, blass und macht einen sehr traurigen Eindruck. Auf mein Fragen hin berichtet die Kleine mir, dass sie so alleine ist, niemand kümmert sich um sie. Mit niemand meint sie in erster Linie mich, denn sie sagt, sie sei doch immer bei mir. Mich überrascht das sehr, denn ich habe das ja nicht gewusst. Nun erfahre ich mehr von ihr: Sie freut sich, wenn wir spielen, wenn wir uns freuen, Partys feiern oder es uns einfach nur gut gehen lassen. Sie mag Eis und Süßigkeiten. Besonders freut sie sich, wenn ich ihr Aufmerksamkeit schenke. Sie berichtet weiter, dass sie sehr darunter gelitten hat, wenn mit Strafe gedroht oder sogar Schläge ausgeteilt wurden. Vieles mehr kann sie mir zu ihren körperlichen und seelischen Verletzungen berichten.“
Nahezu jeder Mensch hat im Erfahrungsschatz des Inneren Kindes solche und ähnliche, zum Teil auch sehr gravierende Verletzungen wie Misshandlungen, Missbrauch, Traumata und Dramen abgespeichert. Es ist für den Therapeuten und den Klienten eine anspruchsvolle Aufgabe, diese Erfahrungen nun zu betrachten und in einen geheilten Zustand zu bringen. Da meine Klienten während einer Sitzung meist in einer Tiefenentspannung sind, erleben sie intensiver, klarer und befreit von äußeren Eindrücken.
Ich selbst bin immer wieder überrascht (die Klienten übrigens auch), dass auf meine Frage während der Sitzung: „Wer kann etwas an diesen Verletzungen verändern, wer kann dir, Inneres Kind, helfen?“, die klare Antwort folgt: „Nur DU“. Damit ist natürlich der Klient gemeint. Mancher Klient hat sich umgedreht und fragte völlig konsterniert: „Wieso ich? Das hat mir doch mein Vater angetan“.
Oft erklärt dann das Innere Kind, dass Eltern, Großeltern und weitere Ahnen nur ihre eigenen Rollen erfüllten, dass sie nach ihren Lebenskonstrukten, Wertvorstellungen und so weiter handelten.
In der Nachbetrachtung wird dann oft deutlich, dass das Innere Kind dem Klienten Folgendes schnell klar gemacht hat: Niemand trägt Schuld an dem, was wir erleben, erleiden, erdulden mussten. Alles sind „nur“ Erfahrungen! Und es gilt:
ICH BIN und jede Erfahrung IST.
Was ist damit gemeint?
Ich versuche mich kurzzufassen, denn über diese zentrale Thematik in unserem Leben könnte man lange Abhandlungen schreiben. In den vielen Leben, die unsere Seele immer wieder auch in menschliche Existenzen führt, erfährt sie sich immer wieder neu. Dabei wird zwar das Wissen, die Lebensumstände, die Beziehungen und noch vieles mehr verinnerlicht, aber unsere Seele möchte auch alle Erfahrungen fühlen, spüren, mit allen Sinnen erleben. Und sie will immer die komplette Bandbreite der Pole fühlen, sprich das Positive und das Negative. Dies ist für unsere Leben/Inkarnationen sozusagen gesetzt. Für unsere Seele ist dies absolut klar, für unseren Verstand nicht, denn er erinnert sich nicht an die Dinge, die sich die Seele für das Leben auf die Agenda schrieb. Wenn es nun viele schwierige Erfahrungen mit Menschen im Verlaufe unseres Lebens gibt, wird lediglich das ausgeführt, was die Seele vor dem Leben bereits wusste und was sie sich aufgrund vieler Resonanzen in ihre jetzige Inkarnation zieht. Die Menschen, die also Schmerz, Drama, Schock, negative Gefühle und Emotionen in unser Leben bringen, führen damit nur unseren eigenen Auftrag aus (knapp und konzentriert formuliert).
Dies gilt damit auch für unsere komplette Ahnenreihe. Natürlich kann es sein, dass wir dabei auch Themen unserer Ahnen übernommen haben, um sie zu lösen. Natürlich kann es auch sein, dass Ahnen Themen sozusagen auf uns abgeladen haben, um sich selbst erst einmal zu befreien.
Wenn ich diese Grundlagen verinnerliche, wenn ich mir also klar bin, dass ich nicht das Opfer bin, das aufgrund der Negativität eines anderen leidet, sondern voll und ganz selbst verantwortlich bin, werde ich anders mit den Erfahrungen des Lebens umgehen.


Doch sind hier Theorie und Praxis oft schwierig voll und ganz zu leben. Geht es uns schlecht, sind wir traurig, erleben wir Ausgrenzung, wurden wir verlassen, werden wir nicht geliebt oder wertgeschätzt und so weiter. Es fällt oft schwer, souverän nach der zuvor beschriebenen Wahrnehmung zu agieren. Schnell sehen wir dann den Verursacher als den Schuldigen, den Täter und uns als das Opfer.
Und nahezu immer ist es nicht nur der oder die Große die leidet sondern auch das Innere Kind. Denn es kennt all diese Gefühle, Emotionen, Schmerzen… Es hat schließlich in vielen Situationen des Heranwachsens Ähnliches erlebt wie du. So leiden nun die Kleine und die Große.
Fällst du nicht in die vielen Rollen und Muster zurück, wirst du souverän beobachten, warum dir das Außen all das spiegelt. Und du wirst nach und nach die Ursachen entdecken und auch Situationen, in welchen du Ähnliches erlebt hast. Gleichzeitig wirst du den Kontakt mit deinem Inneren Kind haben und dich mit ihm austauschen. Ein solcher Austausch könnte folgendermaßen aussehen:
„Mein Inneres Kind. Ich weiß, dass die Situation, die wir momentan erleben, dich genau so beansprucht wie mich. Dass mich mein Vorgesetzter im Moment nicht beachtet, ist so wie die Zeit in der Grundschule, als mich der Mathelehrer lange Zeit ignorierte. Ich weiß was es damals mit mir machte und wie tief dies vielleicht noch an deinem Selbstwert nagt. Doch ist es wichtig, dass wir beide wissen, dass wir uns haben, uns und die Menschen, die uns so nehmen wie wir sind. Und heute, gerade heute werden wir uns auf einen schönen entspannten Spaziergang machen und die Natur fühlen….“
Ich garantiere dir, wenn du in dieser Achtsamkeit und Aufmerksamkeit vorgehst, verschwinden nach und nach alle ähnlichen Resonanzen aus deinem Leben.
Ich habe zuvor einige Begrifflichkeiten wie Opfer, Täter, Leiden genannt. Nimmst du zukünftig mehr die selbst gewählte Erfahrung in den Blick, wirst du lernen, die Verantwortung voll und ganz für dich selbst zu übernehmen. Dann gibt es keinen Grund mehr, dass du und dein Inneres Kind ein Opferspiel aufführen müssen. Und ihr dürft Lebensfreude und Leichtigkeit leben.
Was ist denn, wenn ich dies umsetze und noch immer das Gefühl habe, dass es so etwas wie Täter oder Verantwortliche im Außen gibt? Selbstverständlich habe ich das Recht, möglicherweise sogar die Pflicht, mit dem Verursacher zu sprechen, soweit dies möglich ist. Dabei kann ich ihm meine Geschichte, meine Verletzungen, meine Erfahrungen und die damit verbundenen Gefühle und Folgen mitteilen.
Es kann dabei nicht um Schuldzuweisungen gehen. Jeder der Beteiligten hat seine persönliche Sicht der Dinge, seine Geschichte, jeder ist geprägt durch die eigenen Erfahrungen, die Erfahrungen der Generationen und Ahnen. Bei genauer Betrachtung erkennt man häufig, dass sich dasselbe Thema in ähnlicher Form über die Generationen wiederholt, immer wieder. Es ist eine Energie, eine Schwingung, eine Frequenz, die weitergegeben wird. Der Schlüssel dazu ist das Erkennen, das Verstehen und dann die Vergebung, das Verzeihen. Dabei fällt oft eine riesige Last ab, selbst bei schwerwiegendsten Verletzungen. Diese Arbeit ist mit die wichtigste, die wir tun können und müssen, um uns auf den Weg der Heilung zu bringen…
Nun kann ein weiterer wichtiger Schritt folgen. Ich bitte in den Sitzungen oft das Innere Kind, den Platz bei dem Klienten einzunehmen, den es gerne als sein Zuhause einnehmen möchte. Dabei erleben nahezu alle Klienten eine der außergewöhnlichsten Erfahrungen ihres Lebens. Das Innere Kind zieht in den Teil des Körpers (meist ist es der Brustbereich), den es bevorzugt. Dies hat oft einen erheblichen Raumforderungsprozess zur Folge, der zum Teil regelrecht den Atem nimmt. Begleitet wird diese körperlich deutlich wahrnehmbare Empfindung von intensiven Emotionen, viele sind zu Tränen gerührt. Ich empfehle heute immer, sich von nun an intensiver mit dem Inneren Kind zu befassen.
Noch ein Beispiel zu Konfliktsituationen, wie sie im täglichen Leben ständig vorkommen:
Zwei Erwachsene, Partner, Arbeitskollegen, etc. geraten in einen Konflikt. Die Umstände sind erst einmal egal. Nun fühlt sich einer oder gar beide in diesem Konflikt unverstanden, nicht angenommen, nicht akzeptiert… Und schnell schaukelt sich der Konflikt hoch zu einem Streit. In einer solchen Situation sind selten die Erwachsenen alleine aktiv. Meist sind es die beiden verletzten Inneren Kinder, die sich bekriegen. Denn ungeheilte, unerlöste alte Konflikte schwelen vor sich hin und werden so oft eine Spielwiese ins Leben rufen, bis Achtsamkeit und Aufmerksamkeit für Klarheit sorgen. Dann kann einer der Beteiligten mit seinem Inneren Kind ins Reine kommen und die Spielwiese wird überflüssig.
Und so kannst du mit Achtsamkeit und Aufmerksamkeit ein glückliches Leben mit dir und deinem Inneren Kind führen….

Horst Leuwer ist Rückführungstherapeut und arbeitet in eigener Praxis in dem schönen Örtchen Loogh in der Eifel. Wer mehr über Horst Leuwer und seine Arbeit erfahren möchte, kann seine Webseite besuchen.
http://www.verlag-einssein.de

 

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